Der Löwe von San Marco trägt es
vielfach und unterschiedlich vor sich her – eines der wichtigen Bücher Venedigs.
In der Tat war und ist die Serenissima
ein Ort bedeutsamer (insbesondere pergamentener und papierener, aber auch manch anderer)
Bücher, Karten und sonstiger
‚Drucksachen‘. |
Das Buch des geflügelten Löwen
zeigt – wo es eine sichtbare Aufschrift
trägt – den lateinischen Text: «Pax
tibi Marce evangelista meus» („... Hic requiescet corpus tuum.“) – „Friede sei mit dir, Markus,
mein Evangelist“. Der Gruss
des Engels aus der Markus-Legende an den Heiligen, als dieser auf seinem Weg nach Rom
das Lagunengebiet erreicht habe, geht hier übrigens, nachstehend erinnerlich
verborgen, noch ‚prophetisch‘ mit:
„Hier wird Dein Körper ruhen“ weiter. |
|||
|
Der Friedens(zu)spruch ist eine, wo nicht die, zentrale Grüssungs- bzw. Gruss- und Segensformel, die aus vielen Kulturkreisen (wenigstens auf individueller bzw. direkter Interaktionsebene) bekannt ist. Hier wird zwar – für viele und vielfach beinahe unmerklich – wirkliche Zwiesprache (mindestens Dialogität – mit wechselseitigen Machtverzichtsrisiken) angesprochen bzw. angeboten. – Doch das Deckengemälde, von Paolo Veronese, im grossen Ratssaal des ‚Dogenpalastes‘ verklärt (hingegen) jenen etwas anderen, den (so häufigen, beispielsweise) venezianischen, Frieden - die „Pax Venetia“ -, den die Serenissima, so manchen ‚Völkern‘, durchaus auch und gerade gewaltsam, vermittelte. Und für den sie sich von ihnen – keineswegs grundlos, mehr oder weniger freiwillig / kniefällig – bejubeln lies. Ihren Diplomaten und Kaufleuten gelang, mit der Unterstützung. auch des militärischen Drohpotenzials und ökonomischer Handelsvorzüge, der insbesondere Seemacht, lange Zeit so manches, nicht-kriegerische, politische Glanzstück. |
||
Und schließlich, nach dem Ende der Adelsrepublik, änderte der
provisorische Stadtrat die In- bzw. Aufschrift des Buches in des Löwen (vielleicht nun anders mächtigen) Pranken
zu: «Diritti e doveri dell‘uomo e del cittadio» (Menschen- und Bürgerrechte und Pflichten) ab. –Vielleicht mag die Menschenheit
ja auch daraus etwas – gar über den/vom Schalom
– lernen? Bis dato jedoch
gilt weiter: Entweder ist gerade Krieg, oder aber der
momentane immerhin Nicht-(heiß und blutig
geführte)-Krieg (den zumindest Politiker als ‚Frieden‘ zu verkaufen
versucht[en .null- bis.
negativsummenparadigmatischen Verteilungskämpfen]) wird
durch die derzeitige, allgemeine/weitgehende
Anerkennung der (also faktische Unterwerfung unter die) Vorherrschaft eines Mächtigeren, bzw. durch ein
‚Mächtegleichgewicht‘ zwischen mehreren, einflussreichen Polen, erzwungen (äh
einzusehen/vernünftig – wozu die
jeweilige Rechtsordnung bisher anscheinend nur dann zählt, wenn
sie derzeit mächtig
genug dazu gemacht wird, bis
ist): Dass insbesondere heute schlechter
gestellte Leute mehr haben
können, als sie bei
Gleichverteilunng des, dann dadurch weniger (Grundparadigma mindestens des Ökonomischen – ‚vertrauensärmer‘) erzeugend/produzierend,
Verteilbaren bekämen. |
|||||
|
|
|
|
||
Auch
über dem ‚landseitigen‘ Portal des Arsenale hält der geflügelte Löwe sein – hier aber geschlossenes – Buch: das,
neben dem offen gezückten Schwert als, subtileres venezianisches
Zeichen des Krieges gilt. – Auch, oder zumindest, da die Serenisima
republica
kaum fixierten heraldischen Regeln befolgte, sind – bis 1797
– diverse
Vermischungen, eben mit dem christlichen
Kreuz, anzutreffen. |
|
Als das im ‚eigentlichen‘ – also staatstragenden (immerhin über Krieg und Nicht-Krieg
‚mitentscheidenden) – Sinne Goldene
Buch Venedigs galt (jedenfalls für das
halbe Jahrtausend von 1297 bis 1797)
sein Verzeichnis jener Familien, deren erwachsene Männer Sitz und Stimme im Grossen Rat
dem Maggior Consiglio
hatten. Geführt wurde dieses Verzeichnis von den Avogadori
... »Chronicon Venetum«,
die prompt auch darauf zu achten hatten, dass die Angehörigen dieser Familien
nicht ‚unter ihrem Stand‘ heirateten. Nur ‚das Nahmensverzeichnis‘
der venezianischen Glasbläserfamilien, wurde ebenfalls so hoch angesehen,
bezeichnet und ‚sorgfältig‘– sprich:
restriktiv – bewahrt. |
||||
|
|
|
|
|
Ein komplementär ‚dazugehöriges‘ silbernes Buch kennt die Serenissima – mit bedenklicher Selbstverständlichkeit –
übrigens auch. Ein Verzeichnis, gerne ‚bürgerlich‘ genannter/übersetzter, im Lagunengebiet ansässiger Familien,
die immerhin die Staatsverwaltung bemannten. Sie machten zusammen
mit den anderen ‚droben‘
im Goldenen ‚Buch‘ genannten ‚Adeligen‘ weniger als 15% der Bevölkerung
aus, verfügten zusammen aber über mehr als 90% des ökonomischen Kapitals der
Serenissima. ... |
|
||||
|
|
Das Prinzip der doppelten Buchführung auch in kaufmännischen Sinne ist zu Venedig bereits früh nachweisbar. |
|
|||
|
Die beiden
Bücher der Edlen Venedigs wurden im ‚Dogenpalast‘,
von den ohnehin vielbeschäftigten Avogadori,
geführt und (bis zur symbolträchtigen Verbrennungung je einer Ausfabe durch Napoleons Streitmacht) im daher auch ‚Kastensaal‘
genannten Amtszimmer verwahrt. |
|
||||
Das bei weitem umfangreichste der goldenen Bücher Venedigs – und wohl auch eines der in seiner überzeitlichen
Bedeutung wichtigste – ist allerdings ein, durchaus teils auch
textlich (und zwar teils griechisch und
teils lateinisch) ergänztes, Bilderbuch von völlig anderen
Dimensionen – diesem ‚Buch (der Bücher)‘ ist zu Venedig, an prominentester Stelle, ein ganzes Gebäude ausergewöhnlichen Charakters gewidmet: nämlich die
heutige «Basilica d‘Oro»
– die vor allem in ihrem Inneren ‚goldene‘ ehemalige Cappella Ducale und Staatszeremonialkirchenschein von San Marco. |
||
Im Unterschied, ja Widerspruch, zur dichotomen Verengung des Verhältnisses von Bild versus Begriff (zugunsten des Letzteren) in der abendländischen Philosophie muss diese alte Bebilderung durchaus (selbst angesichts monotheistischer Bilderverbote) nicht grundsätzlich verworfen werden. .... wohl nicht zuletzt einer (zumindest wechselseitig willkommenen, wo – etwa gegenüber Alphabetusierungsgraden unter Juden und Muslimen - nicht sogar interessiert gewollten) Notwendigkeit folgend, die gering verbreitete Lese- und erst recht Schreibkunde in breiten chistlichen Bevölkerungsteilen gehabt haben mag. - Wobei die manipulative (jedenfalls aber Vorstellungen erschaffende/zementierende) Kraft bildlicher Darstellungen nicht unterschätzt werden, gerade dies aber jene textlicherer Imaginationen, bis heute zumal mathematisierter Theorien, nicht (weiter) verschleiern, soll. |
||
Unter ihren heutigen Kirchenschätzen bewahrt die ehemalige Dogenbasilika in sich auch das Goldene Evangelium.
|
Z |
Sowohl‘'inhaltlich‘, wie in Größe bzw. Umfang kaum weniger zu überschätzen ist das Staatsarchiv der (ehemaligen) Seemacht Venedig .... zwar vielleicht nicht unbedingt das, aber doch wenigstens eines der wesentlichen ‚Gedächtnisse‘ der Menschenheit. - Mit erheblichen Verstehensproblemen, zumal ‚anderer Zeiten‘. |
||
Z |
40.000 alte Land- und Seekarten sowie 78 Kilometer aufgestellte Buchrücken und Werke für etwa weitere 150 km Regale. |
... |
||
|
Die zahlreichen
übrigen Bibliotheken Venedigs sind nicht weniger legendär. |
|
||
Biblioteca Nationale Marciana
(Markusbibliothek mit 750 000 Bände) |
Libreria Vecchia di
San Marco (Alte Bibliothek) und Zecca (vormalige
Münze) |
|||
Biblioteca Querini-Stampalia |
Palazzo Querini-Stampalia |
|||
Collezione della
Fondazione Giorgio Cini |
San Giorgio
Maggiore |
|||
Raccolte dei Padri Armeni Mechitaristi |
Isola S. Lazzaro
degli Azmeni |
|||
Auch das ‚ordentliche‘ Buchbindeerhandwerk
der Stadt brachte so manche Besonderheit hervor. |
|
|||
|
|
|
|
|
|
Ein Gebetbuch mit durchschlagender ‚Zusatzfunktion‘ ließ sich der General ... |
|||
Dass über all
den ‚Äußerlichkeiten‘ auch die genannten, bis gemeinten. ‚Inhalte‘ nicht zu kurz
kämen, versteht sich ja (nur)
beinahe ‚von selbst‘ ... |
|
|||
|
Der erkennbare ‚schwarze‘ Raum, etwa des Buchstabens ist, zwar umfänglicher dafür aber meit weniger erkannt vom ‚weiße‘ (hier hellbauenen) Raum darum her umgeben. |
|
Fragen zum Reichweitenfirmament derat ‚weißen Raumes (Feueres/Rauschens)‘ enenden weder am ‚Blattrand‘, noch mit der überhaupt erkennenden Unterscheidbarkeit der Zeichen. – Vielmehr beginnen erst hier Produktions- und Reproduktionsaufgaben der Werke sowie deren Verstehensanfoderungen und Verwendungs- bis Wirkunsmöglichkeiten. |
|
|
Zahlreiche wichtige Übersetzungen aus Arabien ... |
machten insbesondere Kenntnisse der antiken Philosophie wiederzugänglich. |
|
|
|
|
|
|
|
|
Auch die Anfertigung und Edition von See- sowie vielfältigem anderem Kartenmaterial gehört zu einer Grossmacht und ihrem Erbe. |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Und so gibt es, bis heute, nicht nur ungezählte Bücher über Venedig und in Venedig, sondern auch kaum zählbare Bücher aus Venedig: Neue und alte, grosse und kleine, bewegliche und immobile, papierene, ‚elektronische‘ sowie sonstige, gute und weniger gelungene, seltene, selstsame und, und, und .. |
||
Doch wo es Bücher (i.w.S.), und insbesondere kollektive ‚Reaktionen (darauf)‘, gibt; da ist ja nicht allein der Aspekt ihrer Erhaltung – die bekanntlich keineswegs mit ihrer Lektüre und/oder An- respektive Verwendung gleichgesetzt werden kann – virulent, sondern auch der ihrer, mit dem so wohlfeilen Begriff der ‚Entsorgung‘ nur sehr verharmlosend umschriebenen, Vernichtungsversuche. – (vgl. etwa Sheyloks Tochter, S. 79 ff.). |
||
|
Kommentare und Anregungen sind willkommen unter: webmaster@jahreiss-og.de |
||
|
by |